Trans­kontinentale Interfaces Äthiopien

Werkmodul des Lehrstuhls Interface Design, Studiengang Medienkunst / Mediengestaltung, Fakultät Medien, Bauhaus-Universität Weimar in Zusammenarbeit mit dem EiABC der Addis Ababa University Ethiopia und der GiZ Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit.
Winter 2010 und Sommer 2011, Beginn: 19. Oktober 2010, 13:30 CET.
Dozent: Michael Markert

Projekt-Initiator und Koordinator: Moritz Dreßler

Das Internet eröffnet globalen Zugang und weltweite Kommunikation und stellt damit neue Herausforderungen an UX/UI-Designer und Ersteller von Inhalten. Ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Universität Addis Abeba in Äthiopien zielt darauf ab, diese Herausforderungen anzugehen, ein interaktives Informationssystem zu schaffen und Benutzeroberflächen für den transkontinentalen und universellen Zugang zu untersuchen und an der Entwicklung mitzuwirken. Der Kurs zielt darauf ab, die Teilnehmenden im internationalen Interface Design auszubilden und an einer Online-Plattform für Zusammenarbeit und Wissensaustausch zu arbeiten. Es wird eine Exkursion nach Äthiopien stattfinden, die es den Studierenden ermöglicht, theoretische Konzepte anzuwenden, Prototypen zu erstellen und persönlich mit den Projektpartnern in Äthiopien zusammen zu arbeiten.

Im zweisemestrigen Seminar werden Konzepte für das Open Educational Resources Portal OER entwickelt, das einen barrierefreien und nutzungsfreundlichen Zugang der Inhalte über kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg ermöglichen soll.

Während der Studienreise besuchen die Teilnehmenden die Addis Abeba Universität und das Ethiopian Institute of Architecture, Building Construction, and City Development (EiABC) in Äthiopien, ein Institut für Architektur und Bauwesen an der Universität in Addis Abeba. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GiZ begleitet das Projekt in beiden Ländern. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer tauschen sich mit den Studierenden und Lehrenden vor Ort aus und erhalten so einen Einblick in die Herausforderungen und Chancen des Interface Designs in der Region. Äthiopien hat nicht nur eine andere Sprache, Amharisch, sondern auch ein ganz anderes Ge'ez-Schreibsystem (ኢትዮጵያ), das um das 5. Jahrhundert v. Chr. entstand und aus über 270 phonetischen Zeichen besteht: 26 Grundkonsonanten, die mit sieben Vokalen kombiniert werden können. Viele Äthiopier verwenden auch ein modifiziertes 12-Stunden-Zeitsystem , das um 6 Stunden verschoben ist: Die Morgendämmerung beginnt um 12 Uhr mittags und die Abenddämmerung endet um 12 Uhr mittags, was der deutschen Morgendämmerung und Abenddämmerung um 6 Uhr entsprechen würde. Allein diese drei wesentlichen Unterschiede zeigen, wie notwendig es ist, über die Gestaltung von interkulturellen Schnittstellen zu sprechen.

Zu Besuch in Äthiopien

Seminar Room in Addis Ababa University. Foto: Claudia Heinze
The Campus turtle

Die Studienreise vom 22. März bis 3. April 2011 begann mit einem interkulturellen Dialog und äthiopischem Essen: Ein erstes Treffen mit den äthiopischen Partnern des EiABC der Universität Addis Abeba zum gegenseitigen Kennenlernen und Auffrischen der bereits über das Internet geknüpften Kontakte bei einem traditionellen Abendessen Injera.
Ein Rundgang über den Campus der Universität Addis Abeba und ein Besuch des Äthiopischen Nationalmuseums boten Einblicke in die lokale Kunst, in Gemälde und Skulpturen sowie in das Ausstellungsdesign. Das Museum ist berühmt für die Präsentation des bekannten Australopithecus afarensis »Lucy«.

Unter Musikliebhabern ist bekannt, dass Addis für seine lebendige Live-Jazz-Szene berühmt ist. Da Musik und Klang Teil der menschlichen Kommunikation und auch für das Interface Design relevant sind, war ein Besuch im Jazz Club obligatorisch.

Eine Exkursion in die Provinz Oromiyaa, 200 km von der Hauptstadt Addis entfernt, war nicht nur wegen des berühmten Lagano-Sees interessant, sondern die Gruppe erkundete auch ländliche Wohnstrukturen und sammelte Informationen darüber, wie die Menschen mobile Technologien nutzen. Die Kommunikation mit Mobiltelefonen ist weit verbreitet, da sie keine verkabelte Infrastruktur erfordert. Mit den Studenten der Universität Adama wurde die Notwendigkeit diskutiert, das Webdesign so anzupassen, dass der Zugang mit unterschiedlichen Bandbreiten möglich ist und gleichzeitig Designstandards eingehalten werden.

Nach weiteren Workshops in den folgenden Tagen mit der Adama University , u.a. zur grafischen Umsetzung von Lerninhalten für eLearning-Kurse, hielt Michael Markert an der Addis Ababa University einen Vortrag über objektivierbares Design aus seinem Bauhaus-Grundlagenkurs »Die Bauhaus Vorkurse«. Die lebhafte Diskussion weckte Interesse, vor allem wenn spürbare kulturelle Unterschiede in der Rezeption, Bedeutung und Interpretation von grundlegenden Gestaltungsprinzipien wie Richtungen, Grundformen und Farben auffallen.

»In Vorbereitung auf meinen Vortrag hatte ich die Gelegenheit, mein iPad (2011) einem Praxistest zu unterziehen. Entgegen der verbreiteten Auffassung, dass es sich nur um ein Consumer-Device handelt, war ich in der Lage, ein vektorbasiertes Poster in nur 30 Minuten nur mit dem iPad zu erstellen. Ich musste lediglich mein Gerät jailbreaken, um einen USB-Stick anschließen zu können.«
Michael Markert (März 2011)

Am Samstag, den 2. April, nahm die Gruppe am zweiten Social Media Day im ICE Addis Digital Identities Ethiopia Forum teil. Es gab verschiedene Vorträge von Referenten der Bauhaus Universität Weimar, der Addis Ababa University und der Mekele University, mit anschließendem Austausch und Diskussion.

Michael Markert hielt einen Impulsvortrag über eLearning an der Bauhaus-Universität Weimar und verglich die relativ komplizierte, top-down entwickelte eLearning-Software Metacoon mit dem organisch gewachsenen (bottom-up) Medien-Wiki. Die anschließende Diskussion brachte wertvolle Erkenntnisse, auch aus den Erfahrungen mit eLearning-Lösungen beim EiABC von Seble Lemma.

»Diese Medien-Wiki Installation wurde ursprünglich 2008 von Michael Markert eingerichtet. […] Seit dem Update 2009 wurden genau 137.259 Änderungen an den Inhalten vorgenommen. Dieses Wiki ist eine einzigartige und offene Plattform, auf der wir das Wissen sowohl der Lehrenden als auch Studierenden aufbauen und [für die Zukunft] erhalten. Wir möchten Inhalte teilen und weiter entwickeln, zwischen Kursen, Lehrstühlen und den Fakultäten.«
Medien-Wiki Bauhaus-Universität

Weitere Gespräche zeigten das Potenzial des Einsatzes von Mobiltelefonen zur Verbesserung der epidemiologischen Datenerfassung in ländlichen Gebieten. Die Gruppe hatte auch die Gelegenheit, die äthiopische Google-Nutzergruppe zu treffen. Google genießt in Äthiopien einen guten Ruf, da nicht nur Amharisch verfügbar ist, auch unterstützt die Software das lokale Ge'ez ኢትዮጵያ-Schreibsystem, das etwa im 5. Jahrhundert v. Chr. entstand und aus über 270 phonetischen Symbolen besteht: 26 Grundkonsonanten, die mit sieben Vokalen kombiniert werden können. Es ist ein weltweit echtes typografisches Problem, wenn Software- und Hardwareentwickler an Sprach-Unterstützung denken, aber darüber vergessen, dass die Mehrheit der Weltbevölkerung nicht unbedingt lateinische Schriftzeichen verwendet.

»Der partizipative Ansatz der Website involviert und emanzipiert die Studierenden. Wir glauben, dass dieses Vertrauen in Fähigkeiten und Verantwortung der Nutzer die Bindung an unsere Hochschule stärkt. Wir hoffen, dass diese Erfahrung die Studierenden befähigt und dazu ermutigt, sich auch zu beteiligen.« — Michael Markert

Den Abschluss der Studienreise bildete ein kurzer Ausflug zu einer der beeindruckendsten Stätten Äthiopiens: dem Weltkulturerbe von Lalibela. Dieser bemerkenswerte Ort umfasst zahlreiche monolithische, in den Fels gehauene Kirchen, die kunstvoll in die Erde gebaut wurden und aus dem 12. Jahrhundert stammen. Im Laufe der Jahrhunderte haben diese Kirchen signifikante religiöse Bedeutung erlangt und sind heute lebendige Stätten spirituellen Lebens.

»Das brachte uns erneut zum Nachdenken über Interfaces. Eine Kirche ist eigentlich auch eine Schnittstelle. Sie verbindet den Lebensraum mit dem spirituellen Raum. Und diese berühmten Kirchen wurden sehr beeindruckend in den Grund eingelassen und bilden so eine Verbindung an der Schnittstelle der Erdoberfläche zum himmlischen Oben.«
Michael Markert (2011)

Es handelt sich um eine gemeinsame Initiative des Lehrstuhls Interface Design der Bauhaus-Universität Weimar und der Addis Ababa University in Äthiopien sowie der deutschen GiZ Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit mit dem Ziel, die internationale Zusammenarbeit und den Wissensaustausch im Bereich UX/UI und Interface Design zu fördern. Es wird davon ausgegangen, dass das Projekt Auswirkungen auf die Bildungs- und Forschungsgemeinschaft in Äthiopien und Deutschland haben wird.

Quellen: