Semester: Winter 2023/24
Lehrformat: Projekt mit seminaristischem Unterricht
Integriertes Produktdesign (B.A.)
Hochschule Coburg
Prof. Dr. Michael Markert,
Lukas Bebb,
Lisa Bialon,
Anita Dimitrova,
Alina Freund,
Sarah Haust,
Lisa Herbert,
Julia Kipke,
Julia Knötzele,
Julius Liedtke,
Sascha Meus,
Utisi Mwendwa-Wavamunno,
Anton Schmidt,
Johannes Schmidt,
Silas Weber,
Anton Zerbe
Was, wenn du alles gestalten könntest, was du dir vorstellst?
»Stell dir vor, mit der Fähigkeit einer künstlichen Intelligenz und synthetischen Medien zu designen« (ai-productdesign.de)
Künstliche Intelligenz (KI) schreibt Texte, erzeugt lebensechte Bilder und programmiert auch bereits selbst Computerprogramme. Wird KI bald menschliche Designerinnen und Designer ersetzen? Kann sie die Arbeiten bereichern und verbessern? Mit diesen Fragen haben sich Studierende mit Prof. Dr. Michael Markert im Bachelor-Studiengang »Integriertes Produktdesign« der Hochschule Coburg im Wintersemester 2023/24 auseinandergesetzt. Herausgekommen sind vielfältige Entwürfe, die jetzt in einer digitalen Ausstellung präsentiert werden.

»Wir untersuchten verschiedene Medien wie Bilder, Töne, Texte und Videos. Wir probierten viele aktuelle Möglichkeiten des maschinellen Lernens und verfügbare Anwendungen aus. Wir nutzten High Performance Computing Cluster, um eigene Modelle zu trainieren, aber auch unsere handelsüblichen Laptops und Handys, um Medien zu synthetisieren.
Wir befassten uns auch mit sozialen und ethischen Fragen und diskutierten, wie etwa Datenkontrolle, -herkunft und Konsistenz der Ausgabe verbessert werden könnten.
Wir fragten uns: Kann KI mit einem Designer zusammenarbeiten? Kann sie alles tun, was die Industrie anpreist? Wird es bald eine allgemeine künstliche Intelligenz geben, die die Welt beherrscht?«
Um diese Fragen zu beantworten, haben der Design-Professor und seine Studierenden das Herzstück des maschinellen Lernens und die künstliche Erzeugung synthetischer Medien genauer untersucht:
Statt zu zeichnen und zu konstruieren, haben die Studierenden bei Prof. Dr. Michael Markert im Projekt »AI-Aided Design« auf Hochleistungs-Computern des High Performance Cluster , aber auch auf den eigenen Laptops und Smartphones verschiedene Anwendungen für Maschinelles Lernen ausprobiert, trainiert und experimentiert. Der Professor spricht von Maschinellem Lernen statt von Künstlicher Intelligenz:
»Dieser Begriff ist im Deutschen schon irreführend, nicht nur weil ›intelligence‹ auf Englisch auch etwas wie ›Informations-Gewinnung‹ bezeichnen kann. Es handelt sich nach wie vor lediglich um mathematische Modelle, die nichts verstehen, sondern einfach nur statistisch wahrscheinliche Ergänzungen berechnen.«
Markert ist überrascht von der hohen Qualität der Ergebnisse des Seminars: »Die Arbeiten zeigen fast alle ein gutes Verständnis aktueller Technologien des Machine-Learning«. Herausgekommen sind erstaunliche Design-Entwürfe von 3D-Darstellungen mit neuartigen Neural Radiant Fields über Stimm-Klone bis hin zu einer komplett von KI erzeugten Mode-Linie. Diese Arbeiten werden in einer Instagram-Ausstellung gezeigt – auf dem @ai-productdesign Kanal gibt es bereits seit Anfang Februar bis Mitte März jeden Tag ein neues Werk zu sehen. Alle Beiträge sind auch auf der Projekt-Webseite dokumentiert: https://ai-productdesign.de.
Digitale Assistenten
»Für die Studierenden war es ein interessantes Experiment, bei dem sie viel gelernt haben, vor allem, was die Leistungsfähigkeit von KI und die eigenen Erwartungen im Umgang mit den neuen synthetischen Medien betrifft«, erklärt Markert. Dabei seien alle aber auch relativ schnell an Grenzen gestoßen, die vor allem mit zu hohen Erwartungen zu tun hatten.
»So kann ein System, das nur mit bereits Bestehendem trainiert wurde, grundsätzlich nichts Neues erschaffen, so wie dies Menschen tun können.«
Als digitale Assistenten könne KI den Entwurfsprozess allerdings beschleunigen und den Designerinnen und Designern viel Arbeit abnehmen. Dies zeigen die Experimente der beiden Studierenden Anton Zerbe und Sascha Meus zur Synthetisierung von Texturen und Geometrien. Die KI erzeugt hier nicht die komplette Gestaltung eines Produktes sondern nur spezielle Teilbereiche davon, also beispielsweise die Darstellung von Oberflächen.
Lukas Bebb hat ein System anhand von 250 seiner eigenen Zeichnungen trainiert – und dieses kann tatsächlich Variationen in sehr guter Qualität erzeugen und seinen Zeichenstil auch auf andere Darstellungen übertragen. Utisi Mwendwa-Wavamunno hat sich mit synthetisch erzeugten Bildern west- und ostafrikanischer Frauen auseinandergesetzt und untersucht, welche kulturellen und gesellschaftlichen Vorurteile in den generierten Darstellungen zu finden sind. Lisa Bialon sorgt sich um die die Demokratie, weil es für sie fast schon zu leicht war, Stimmen von Politikern zu klonen und diese sagen zu lassen, was sie wollte.
Ein Hype, differenziert betrachtet
Ein Lerneffekt war auch: Wer gute Ergebnisse erzielen will, muss imstande sein, sehr genau auszudrücken, was erreicht werden soll.
»Ebenso muss man ein kritisches Auge auf die generierten Ergebnisse haben, denn die Verantwortung dafür, was man produziert, hat man selbst. Die neuronalen Netze sind nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert wurden und oft halluzinieren diese oder erzeugen sinnlose Ergebnisse, die allerdings auf den ersten Blick sehr plausibel erscheinen.«
Die Studierenden haben Einblicke gewonnen, die über das Schreiben von Prompts, also Anweisungen für das künstliche Netzwerk, hinausgehen – dadurch entstand eine erstaunlich differenzierte Betrachtung des aktuellen Hypes, wie Markert erklärt.
»Die gesellschaftlich und mittlerweile auch politisch aufgeladene Debatte ist aufgrund ihrer technologischen Komplexität häufig von Unkenntnis geprägt bis hin zu einer übertriebenen Angst vor dem Untergang der Menschheit. Statt nur darüber zu reden, haben wir es einfach ausprobiert.«
Markert ist überzeugt, dass sich das Berufsbild des Produktdesigns durch neue Technologien stetig verändern wird. »Die Studierenden in Coburg sind darauf nun gut vorbereitet.«
»Es gibt keinen Grund, Angst zu haben; der Hype ist wahrscheinlich ein wenig übertrieben. Künstliche Intelligenz ist weit davon entfernt, intelligent zu sein, aber sie wird jetzt und in Zukunft da sein und unsere gestalterischen und kreativen Prozesse verändern.«
Die Ergebnisse des Projekts sind seit Februar 2024 in einer Instagram-Ausstellung und online zu sehen auf https://ai-productdesign.de.
Die Arbeiten im Fokus
How I trained an AI to copy my drawing style by Lukas Bebb
@lukas.bebb
„Mein Projekt hatte zum Ziel, ein KI-Modell (LoRA) auf Zeichnungen aus meiner Kindheit zu trainieren. Dabei habe ich gelernt, wie man einen Datensatz verwendet, um eine KI nach meinen Vorstellungen zu trainieren. Dies ist notwendig, da große KI-Modelle wie Stable Diffusion (XL) Probleme mit der Darstellung sehr spezifischer Konzepte haben können, für die sie nicht trainiert wurden. Dieses Projekt hat bewiesen, dass eine Einzelperson wie ich dieses Ziel erreichen kann.“
AI generated NeRFs
by Sascha Meus and Anton Zerbe
@sascherrrr
@anton.zerbe
„Das Ziel unseres Projekts war es, den Rendering-Prozess mit KI-Tools zu unterstützen. Unsere Überlegung war, die neueste KI-Technologie NERFs zu nutzen, um möglichst realistische 3D-Geometrien zu erstellen. Dabei haben wir einige Experimente mit dieser Art von KI-Tool gestartet. Wir haben verschiedene Objekte in unterschiedlichen Umgebungen aufgenommen. Obwohl wir in diesem Bereich interessante Ergebnisse erzielen konnten, haben wir festgestellt, dass diese Technologie eher in anderen Bereichen sehr nützlich sein kann. Wir sehen die potenziellen Stärken im Bereich der Videofotografie, um bei der Videobearbeitung entscheiden zu können, wie die Szenerie dargestellt werden soll. Gerade Drohnenaufnahmen einer statischen Umgebung könnten damit sehr gut funktionieren.“
D2V
by Johannes Schmidt
@levenait
„Die Kombination mehrerer leistungsstarker KI-Tools in einem Arbeitsablauf ermöglicht die Erzeugung neuer Produktvarianten, wobei die Proportionen nahe am Eingangsprodukt bleiben.“
Dj AI
by Julia Knötzele
@juliaknoetzele
„Livecoding ist eine besondere Methode zur Musikproduktion, die Code, erweiterbare Sample-Libraries und Live-Synthesizer einsetzt. Es ermöglicht eine umfassende Kontrolle und erleichtert nuancierte Anpassungen. Ich habe ein Programmpaket entwickelt, das in einem Texteditor installiert werden kann und so den Zugang zu OpenAI ermöglicht. Alles, was für die KI-Kollaboration notwendig ist, ist bereits vorgegeben und erfordert lediglich die Eingabe von kurzen Prompts im Editor. Darüber hinaus habe ich eine Shortcut-Funktion für den nahtlosen Zugriff [auf ChatGPT] implementiert, die Unterbrechungen bei Live-Coding-Sitzungen minimiert. Durch die Einbeziehung von künstlicher Intelligenz wird der Ablauf durch eine Fülle von Wissen und Coding-Erfahrung bereichert, was die innovative Musikgenerierung durch Teamarbeit begünstigt. Weitere Einblicke in diese fesselnde Verschmelzung werden in Kürze folgen!“
Single word prompt
by Julia Kipke
@juliakipk3
„In diesem Projekt wird untersucht, wie KI-Systeme auf Ein-Wort-“Prompts“ reagieren, wenn sie Bilder erzeugen. Verschiedene KI-Modelle erhalten dieselbe Aufforderung ohne weitere Informationen und die von ihnen erzeugten Bilder werden beobachtet, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie KI-Algorithmen natürlichsprachliche Eingaben verstehen und interpretieren. Trotz begrenzter Eingaben zeigen die KI-Systeme eine vielfältige Kreativität. Die Analyse dieser Ergebnisse offenbart die Fähigkeit der KI zu kreativem Denken und vielfältigen visuellen Darstellungen.
Insgesamt wurden neun Tools verwendet und mit der Aufforderung 'Toaster' versehen, jeweils 50 Bilder zu erzeugen. Die folgenden Grafiken zeigen nur einen Teil der 450 erzeugten Bilder, die analysiert wurden.
Warum 'Toaster'? 'Toaster' ist ein relativ spezifisches Wort, das aber dennoch eine Vielzahl von Interpretationen zulässt. Ein Toaster ist außerdem ein gängiges und vertrautes Objekt, was ihn zu einer leicht zugänglichen Eingabeaufforderung für das Testen von KI-Bilderzeugungsmodellen machen kann. Trotz seiner Einfachheit weist ein Toaster eine gewisse Komplexität in Bezug auf Form, Funktion und Kontext auf. Diese Komplexität kann KI-Modelle vor die Herausforderung stellen, die verschiedenen Aspekte eines Toasters in ihren generierten Bildern genau zu erfassen und darzustellen, was wertvolle Erkenntnisse über ihre Fähigkeiten und Grenzen liefert.“
How can I make use of AI in my creative endeavors?
by Alina Freund
@alina.frnd
„In den Anfängen der künstlichen Intelligenz blicken die Menschen oft mit Sorge oder Neugierde in die Zukunft und fragen sich, wie der Arbeitsmarkt aussehen wird. Deshalb habe ich beschlossen, mich mit diesem Thema zu befassen und versucht, die KI so viel wie möglich von meinem Designprozess übernehmen zu lassen. Hier sind meine Ergebnisse:
Obwohl sie auf den ersten Blick gut und überzeugend aussehen, zeigt ein genauerer Blick auf die KI-generierten Bilder schnell die Ungereimtheiten, die sie aufweisen. Viele der Entwürfe funktionieren in der Realität nicht bzw. sind so nicht möglich, was aber nicht bedeutet, dass sie automatisch unbrauchbar sind. Vielmehr können die Entwürfe als Inspiration dienen, auf deren Grundlage dann viele Ideen nachgebaut und weiterentwickelt werden können. Dies kann als eine Art Hilfestellung gesehen werden, nimmt aber letztlich nicht den gesamten Designprozess ab. Deshalb wird ein Produktdesigner immer noch gebraucht, aber sie oder er kann mit KI effizienter arbeiten.“
VintiqueArt Studios – a design process generated entirely by AI using the example of a streetwear brand
by Anton Schmidt
@anton_schmidt8
„In diesem Projekt geht es darum, die Bedeutung der künstlichen Intelligenz für den Designprozess zu untersuchen. Um dies an einem konkreten Entwurf zu erarbeiten, habe ich eine Streetwear-Marke von Grund auf neu entwickelt. Von der stilistischen Ausrichtung und den Einflüssen über Namen, Logos und Hintergrund der Marke bis hin zu verschiedenen Kleidungsstücken, möglichen Mustern, Produktrenderings und einem KI-generierten Video einer Laufstegshow war das Ziel, jeden einzelnen Schritt von verschiedenen Tools gestalten zu lassen, so dass der Designer nur eine auswählende Rolle einnimmt.
Das Ergebnis soll als Diskussionsgrundlage dienen, um zu zeigen, wie nützlich KI-Programme für den Designprozess schon heute sind, welche Aufgaben die Tools den Designern abnehmen können, inwieweit Designer bereit sind, ein ungewohntes Maß an Handlungsfreiheit aufzugeben und welche Rolle synthetisch generierte Inhalte in der Zukunft des Produktdesigns spielen könnten.“
Exploring AI as tool to visually find the gaps in the presentation and representation of the diversity of African People and their cultures
by Utisi Mwendwa-Wavamunno
@tisi_mwe.ndwa
„Wir gestalten die Welt, in der wir leben, ganz einfach dadurch, dass wir entscheiden, wie wir in dieser Welt sind; und das spiegelt sich in dem wider, was wir produzieren und in den Vorurteilen, die sich daraus ergeben. Da die künstliche Intelligenz auch ein Ausdruck dessen ist, wollte ich sie in Form der Bilderzeugung als Werkzeug nutzen, um zu erforschen, welche Vorurteile oder 'Gaps' ich — nicht nur als Individuum aus einer nicht-dominanten Kultur, sondern als Utisi und alles, was dazugehört — erkennen kann. Wenn wir lernen, die verschiedenen 'Gaps' wahrzunehmen und anzuerkennen, dass diese von Individuen erkannt werden, die durch eigene, einzigartige Erfahrungen geprägt wurden, können wir vielleicht mehr dieser Lücken erkennen und nach Wegen suchen, sie zu füllen.“

Weitere Informationen
- ai-productdesign.de, Projekt-Dokumentationsseite, Februar 2024
- Instagram-Exhibition AI-Aided Design @ai_productdesign
- Pressemeldung der Hochschule Coburg – “Mode, Zeichnungen, Produkte: KI als Designer”, 29.02.2024
- Schalk, N. (2024) Mode, Zeichnungen, Produkte: KI als Designer, Informationsdienst Wissenschaft. Available at: https://idw-online.de/de/news829669 (Accessed: 22 February 2025).





























































